Plastikinseln, die im Mittelmeer schwimmen, To-Go Becher in den Mülleimern und eingeschweißte Gurken im Supermarkt: Wir sind scheinbar von Plastik umgeben, das Material ist unvermeidbar – denken zumindest die Meisten. Ein kleiner Einblick in ein Leben mit Zahnputztabletten, Unverpacktläden und jeder Menge Gläsern.

 

Ja, es gibt tatsächlich Menschen, die ganz auf Plastik verzichten oder ihren Müll sogar soweit reduziert haben, dass er in ein Marmeladenglas passt. Zero Waste lautet hier das Stichwort. Gar keinen Müll produzieren, davon bin ich noch einige gelbe Säcke, Papiermülladungen und Restmülltonnen entfernt. Aber die zahlreichen Artikel, Videos et cetera, die ich mir zu dem Thema angesehen habe, haben mich doch motiviert, zumindest den Anfang zu wagen: Plastikfreier soll mein Leben werden.

Damit bin ich bei weitem nicht die erste. Auch meine Co-Autor*innen der V haben sich schon einmal an ähnliche Experimente gewagt. Anna-Luisa und Eric etwa mit ihrer Aktion Eine Woche ohne Plastik, von der man auch in einer unserer Printausgaben lesen konnte. Oder Lena, die im letzten Jahr die Fastenzeit nutzte, um auf Plastik zu verzichten. Sowas fand ich schon immer sehr bewundernswert. Aber meine Herangehensweise wird ein bisschen anders sein. Statt von heute auf morgen möglichst auf alles Plastik zu verzichten, versuche ich lieber, es langsamer angehen zu lassen und damit hoffentlich nachhaltiger etwas an meinen Verhaltensweisen zu verändern.

 

Plastikfrei von Raum zu Raum

Bevor ich anfange, informiere ich mich also erst einmal und bin schon kurz davor, gleich wieder hinzuschmeißen. Es gibt riesige Gruppen zu diesem Thema auf facebook. 32 000 Mitglieder hat eine und es braucht nur eine Handvoll ständiger Besserwisser, um mich erst einmal abzuschrecken. Man kann es eben auch mit allem ein wenig übertreiben, denke ich mir – und ich will ja erstmal klein anfangen. Aber es gibt auch wirklich hilfreiche Tipps online: Die meisten empfehlen, das ganze schrittweise anzugehen, zum Beispiel mit einem Raum im Haus anzufangen.

Ich wohne in einem kleinen Studentenappartement, 16qm, ein Zimmer, ein Bad, keine große Auswahl also. Es erscheint mir nur logisch, mit dem Bad anzufangen, das ist wirklich schonmal eine ausreichend große Baustelle. Hier scheint ja quasi alles aus Plastik zu sein! Haarshampoo, Duschgel, Rasierer, Rasierschaum, Zahnpasta, Zahnbürste, Schminke sowieso – da ist auch noch Mikroplastik drin, das verät mir die App CodeCheck, die ich mir heruntergeladen habe. Die Liste ließe sich endlos weiterführern.

Eine Sache leuchtet mir sofort ein: Ich ersetze die Flüssigseife durch normale feste Seife, davon habe ich sowieso noch einen großen Vorrat aus verschiedenen Geschenken. Alternativen zu finden ist natürlich nicht immer ganz so einfach, aber ich mache das Schritt für Schritt, finde zum Beispiel in einem kleinen Laden in der Erlanger Altstadt ein festes Haarschampo. Dem stehe ich zwar zunächst etwas skeptisch gegenüber, stelle dann aber fest, dass es ganz wunderbar funktioniert. Gar nicht so schwer wie gedacht. Die alten Artikel in ihren Plastikverpackungen verbrauche ich noch. Aber danach fällt hier kein Müll mehr an.

Einige Utensilien meines plastikfreieren Badezimmers: Abschminkpads, Bambuszahnbürste, festes Haarshampoo, verschiedene Seifen, Zahnputztabletten (von links nach rechts). Foto: Verena Knöll

Eine große Hilfe beim Umstieg: Der Unverpacktladen

Das hat mehr Spaß gemacht, als gedacht, und so komme ich vom einen ins andere, nähe mir in einem Anflug von Handarbeitsfähigkeit eigene wiederverwendbare Abschminkpads aus einem alten Handtuch und einem löchrigen Jutebeutel, versuche mich an der Herstellung eines Mundwassers mit Natron und Xylith und finde schließlich sogar Zahnputztabletten (zerkauen, etwas Wasser dazu, putzen, fertig) im neueröffneten Unverpacktladen Zero Hero in Nürnberg (Gostenhof, Obere Kanalstraße 11a).

Ein Unverpacktladen! Das ist sowieso das Coolste für alle, die Plastik in ihrem Leben reduzieren möchten. Von Lebensmitteln über Badartikel bis hin zu Hundefutter, es gibt wirklich so einiges dort zum Selbstabfüllen aus ziemlich schicken Behältnissen. In meinem Bad gäbe es zwar noch einiges zu tun – aber gerade bei der Kosmetik wird es schwer, komplett zu verzichten. Ich steige auf Naturkosmetik um, damit verzichte ich zumindest schonmal auf Mikroplastik. Der Unverpacktladen hat mich dazu inspiriert, doch schon den Schritt in Zimmer Nummer zwei zu wagen und meine Küche plastikfreier zu machen.

Ein Eindruck meiner Einkäufe aus Unverpacktläden. Foto: Verena Knöll

Im Zero Hero kann man zwar auch Tupperdosen befüllen, aber bei mir fallen ohnehin ständig leere Gläser von Marmelade und Co an, die ich sammle, um sie dann vor Ort zu befüllen. Nun ist Nürnberg natürlich doch ein Stück zu fahren, die Sachen teilweise schwer zu tragen und der Laden aufgrund des Angebots in Bioqualität natürlich auch ein bisschen teurer. Ich ziehe das also nicht immer ganz so durch wie geplant, kaufe eher speziellere Artikel dort und versuche bei anderen zum Beispiel auf Papierverpackung (Nudeln, Reis & co) umzusteigen, lose einzukaufen (Gemüse etwa am Markt) oder ganz bewusst abzulehnen oder zu verzichten (z.B. kein Take-Away essen, To-Go nur im mitgebrachten Becher und eigene Jutebeutel statt Plastiktüten).

Auch in Bamberg gibt es seit Dezember 2017 einen Unverpacktladen. Da ich dort Freunde habe, verbinde ich einfach den ein oder anderen Besuch mit plastikfreiem Einkaufen. Oft geht es einfach nur darum, vorher ein bisschen besser zu planen, nachzudenken, einen Jutebeutel in der Tasche dabei zu haben oder bei einer Bestellung zu sagen, dass man keinen Strohhalm möchte. Eigentlich kleine Dinge, die am Anfang lästig erscheinen, aber irgendwann zur Routine werden.

 

Trotz der Umstellung ist das Plastik (noch) nicht ganz aus meinem Alltag verschwunden, wie man hier im Küchenregal sieht. Foto: Verena Knöll

Das große Ziel nicht aus den Augen verlieren

Ich denke aber, dass es auch wichtig ist, nicht zu streng mit sich zu sein, wenn man wirklich langfristig etwas ändern möchte. Viele Produkte gibt es einfach noch nicht plastikfrei und ich kann auch verstehen, dass sich nicht jeder sein Deo selbst zusammenmischen oder eine widerverwendbare Slipeinlage benutzen möchte (mir ist dass bisher auch noch zu viel). Natürlich bedeutet jeder Kompromiss, den man eingeht, jede Ausnahme, wieder ein bisschen mehr Müll. Aber ich habe gemerkt, dass ich zumindest den gelben Sack deutlich seltener rausbringen muss.

Plastikfrei oder gar müllfrei, ich denke nicht, dass das so einfach von heute auf morgen funktioniert, für mich zumindest nicht. Das sollte aber natürlich keine Ausrede sein, damit gar nicht erst anzufangen. Denn allein das Bewusstsein über die Menge an Plastik, die uns umgibt, und der Versuch, auf Alternativen zu achten, ist schon mehr, als viele tun. Zum Glück gibt es aber immer mehr Möglichkeiten, auch auf einfachem Weg an Unverpacktes zu kommen. Und wenn man erst einmal anfängt, ist auch ein gewisser Spaßfaktor dabei. Bei mir zumindest hat es bisher ganz gut geklappt. Auch, wenn es immer mal wieder Rückfälle gibt, so ist mein Leben doch seit September letzten Jahres, als ich den Zero-Waste-Beschluss gefasst habe, immer plastikfreier geworden.

 

Von Verena Knöll.