Unser Autor Christian hat mit den Camper:innen des Klimacamps Erlangen über ihre Aktivitäten und Forderungen gesprochen.

Erlangen hat seit einigen Wochen ein Klimacamp am Beşiktaş-Platz. Wir waren vor Ort und haben mit
den Camper:innen gesprochen.

Wer bist du und was ist das hier?
Ich bin Linus, ich bin 22 und ich bin Gewerkschaftler. Das hier ist das Klimacamp Erlangen.

Und was macht ihr hier?
Wir setzen ein dauerhaftes Zeichen für Klimagerechtigkeit. Wir wollen permanent Druck auf die Lokal- und die Bundespolitik ausüben und zeigen, wie eine andere Lebensweise aussehen könnte. Wir wollen
dabei mit Leuten ins Gespräch kommen, die vorher nicht so viel mit Klimaschutz am Hut hatten.

Was ist Klimagerechtigkeit?
Klimagerechtigkeit heißt, dass der notwendige Klimaschutz nicht von ohnehin schon benachteiligten
Gruppen getragen wird, sondern von denen, die es sich leisten können.

Was sind denn eure Forderungen?
Da haben wir fünf Stück. Erstens muss Erlangen bis 2025 klimaneutral werden. Damit das funktioniert,
braucht es zweitens jetzt eine Verkehrswende, kurzfristig mit Sozialticket und autofreier Innenstadt,
langfristig mit kostenlosem ÖPNV. Drittens muss jetzt mit der Energiewende, insbesondere mit dem
Gasausstieg der Erlanger Stadtwerke, angefangen werden. Weil wir uns als Teil der Klimagerechtigkeitsbewegung verstehen, fordern wir viertens einen bundesweiten Mietendeckel. Der soll verhindern, dass die Kosten für notwendige Sanierungen einfach auf die Mieter:innen umgeschichtet werden. Außerdem fordern wir ein Verbot von Lebensmittelverschwendung im Einzelhandel.

Das klingt ambitioniert. Warum sollte Erlangen so viel leisten? Kann Erlangen so viel leisten?
Wir stehen vor einer Bedrohung für die gesamte Menschheit. Hier müssen alle ihren Beitrag leisten.
Erlangen steht als reiche Stadt besonders in der Verantwortung. Und wenn Erlangen es sich nicht leisten kann, wer dann?

Hat sich – aus eurer Sicht – also bisher nicht genug getan? Politische Prozesse brauchen schließlich Zeit.
Die Fakten, vor denen wir heute stehen, sind seit Jahrzehnten bekannt. Die Parteien, die heute regieren, sind ebenfalls seit Jahrzehnten an der Macht. Sie haben damals nicht gehandelt und wollen heute
ebenfalls nicht handeln. Am Ende fließen die Spenden der Großkonzerne ja vielleicht nicht mehr in
Millionenhöhe. Außerdem sind die Konsequenzen, die es hat, jetzt nicht zu handeln, viel höher als
alles, was Erlangen in den nächsten Jahren für den transformativen Prozess aufbringen müsste.

Gibt es ein Beispiel, in dem ihr besonderes Versagen der Stadt seht?
Punkt Klimagerechtigkeit: Das wird von der Stadt besonders versaut. Das zeigt sich an der Innenstadtlinie. Während der Nahverkehr in einem kleinen Teil der Innenstadt kostenlos gemacht wird, der locker zu Fuß oder mit dem Fahrrad zugänglich ist, werden die Preise im restlichen Verbundgebiet weiter angehoben. Hierdurch müssen pendelnde Personen noch mehr für das eh schon überteuerte Busticket ausgeben und greifen dadurch eher auf ihr Auto zurück. Das schadet dem Klima massiv. Sozial ungerecht ist es auch noch.

Das Rathaus ist in Sichtweite, Ihr sitzt der Stadt auf der Nase. Gefällt der Verwaltung das?
Wir haben das Gefühl, dass wir von der Verwaltung nicht gerne gesehen sind. Das machen wir daran
fest, dass die Polizei gleich am ersten Abend mit der Räumung des Camps gedroht hat. Angeblich sei
gegen das Versammlungsrecht verstoßen worden. Die Auflagen des Ordnungsamtes waren auch so
einschränkend, dass das Camp beinahe nicht hätte stattfinden können. Zum Beispiel durften wir anfangs nur mit vier Leuten übernachten. Es musste ständig jede noch so kleine Versammlung, jede Änderung bei der Versammlungsleitung beim Ordnungsamt gemeldet werden.

Aber inzwischen hat sich die Lage entspannt?
Ja. Im Großen und Ganzen ist es ruhig und friedlich im Camp.

Was macht ihr hier dann den ganzen Tag?
Wir planen größere Aktionen wie zum Beispiel unsere Spielstraßendemonstration am 17.07. Wir sperren die Bismarckstraße von 11 bis 14 Uhr und veranstalten dort ein buntes Fest für Kinder. Hier bieten wir unter anderem Fußball, Tischtennis oder auch das Malen mit Kreide an. Ansonsten gibt es regelmäßig Workshops, Aktionen, Plena und Infoabende. Der nächste ist ein Vortrag über die Blockade eines Gaskraftwerks Ende Juli von Ende Gelände Erlangen.

Wer macht hier mit? Braucht es Voraussetzungen?
Wir wollen sehr niedrigschwellig sein. Man kann einfach vorbei kommen. Wir bieten für den leichteren
Einstieg bei uns ein Neueinsteiger:innen Plenum jeden Freitag um 19 Uhr an. Da können Personen
ganz entspannt dazu kommen und sehen, wie es im Camp so läuft und wie sie sich einbringen
können. Voraussetzungen braucht es natürlich keine.

Kann man euch anderweitig unterstützen?
Man kann uns jederzeit Essen vorbei bringen, vorzugsweise vegan. Wir freuen uns auch immer über
Geldspenden. Am meisten brauchen wir aber Menschen, die zwischendurch Schichten übernehmen.
Da ist man zwischendurch ein paar Stunden da, übernachtet vielleicht mal. Man kann hier für die Uni
lernen, lesen oder anderweitig Zeit verbringen, ohne aktiv mitarbeiten zu müssen.

Interview geführt von Christian Baum

Beitragsbild: Klimacamp