Mystische Kreaturen, Horror–Elemente, Blut und gut durchdachte Details – Neil Gaiman fasziniert mit einer neuen Auflage mit zwei Kurzgeschichten und zwei Gedichten, die verwirrender und fesselnder nicht sein könnten.
Das Graphic Novel “Das Susan-Problem und andere Geschichten”, geschrieben und erdacht von Neil Gaiman, adaptiert und gezeichnet von P. Craig Russell, Paul Chadwick und Scott Hampton, erscheint in deutscher Ausgabe im Dantes Verlag. Wieder einmal widme ich mich also einer meiner liebsten Beschäftigungen: lesen und kommentieren.
Die Ausgabe umfasst die Kurzgeschichten Das Susan-Problem und Oktober im Sessel und die Gedichte Löckchen und Der Tag, an dem die fliegenden Untertassen kamen. In altbekannter Neil Gaiman-Manier, spielen all diese humorvoll und auf groteske Weise mit sowohl psychischem als auch körperlichem Horror.
So befasst sich die erste Geschichte, Das Susan-Problem, mit einer in die Jahre gekommenen Professorin, die von einer jungen Journalistin für ihr Lebenswerk interviewt wird. Besonders interessant fand ich bei dieser Geschichte die Anspielungen auf Traumwelten und Narnia und das Verschwimmen von Realität und Traum. Spannend ist auch, dass ich nach dem Lesen das Gefühl hatte, noch mehr Fragen als zu Beginn der Kurzgeschichte zu haben. Ich wollte weiterlesen, mehr erfahren über die Professorin und warum all ihre Geschwister bei einem Zugunglück ums Leben kamen und ausgerechnet sie überlebte.
Das anschließende Gedicht, Löckchen, hat mich persönlich etwas verwirrt. Es ähnelt vom Grundprinzip her einem Märchen. Ein Vater liest seiner Tochter eine Gute Nacht Geschichte vor, scheinbar ein altes Märchen aus dem Ort. In dem Märchen bricht ein junges Mädchen in das Haus einer Bärenfamilie ein, isst deren Essen, zerbricht einen Stuhl, schläft in ihrem Bett und schafft es zu entkommen, ohne erwischt zu werden. Es ist ein interessantes Gedicht, das dazu anreizt, es mehrmals zu lesen, um eventuell zu verstehen, was genau die Aussage ist und wo die versteckten Pointen sind – ich selbst habe sie bis jetzt leider nicht gefunden.
Oktober im Sessel ist mein persönlicher Favorit der Geschichten in diesem Graphic Novel. In einer Vollmondnacht versammeln sich die 12 menschlichen Verkörperungen der Monate um ein Lagerfeuer herum im Wald. Es macht den Eindruck, als wäre es ein monatliches Treffen, bei dem jeweils der aktuelle Monat die Leitung übernimmt. Jeder Monat darf eine Geschichte erzählen. Oktober erzählt die eines Jungen, der von Zuhause wegläuft und auf seinem Weg zum Meer einen Geist trifft, mit dem er sich anfreundet. Während des Lesens habe ich die ganze Zeit auf eine düstere Pointe gewartet, habe also gespannt dem Ende entgegengefiebert. Enttäuscht wurde ich nicht, allerdings lässt sich das Ende unterschiedlich deuten. Ich finde jedoch, dass das das Ganze nur noch interessanter macht. Der Charakter des Jungen ist einer, in den man sich leicht hineinversetzen kann. Seine Handlungen sind nachvollziehbar und ich habe mit ihm mitgefiebert, in der Hoffnung, dass er sein Ziel erreicht und glücklich wird. Diese Kurzgeschichte ist also definitiv empfehlenswert.
Der Tag, an dem die fliegenden Untertassen kamen ist von den beiden Gedichten ebenfalls das, das ich am spannendsten zu lesen fand. Der Titel verrät es vielleicht schon: es geht im Prinzip um das Weltende in jeglicher Form, die man sich vorstellen kann. Fliegende Untertassen, Unwetterkatastrophen, Ragnarök und Zombies – es ist von allem etwas dabei. Doch die Hauptfigur? Die bekommt davon gar nichts mit.
Positiv aufgefallen ist mir erneut, dass das hinten angehängte Glossar so manche aufgekommen Fragen klärt und Informationen zu vorkommenden Büchern oder Personen gibt. Dazu kommt, dass man das Graphic Novel sehr zügig durchlesen kann. Natürlich kann man sich auch Zeit lassen und immer nur ein Gedicht oder eine Geschichte lesen. Aber in meinem Fall hat das nicht funktioniert und ich wollte sie gleich alle auf einmal lesen.
Falls diese kurze Vorstellung eure Neugierde geweckt hat und ihr euch fragt, wie um Himmels Willen man eine Alien-Invasion und Zombieapokalypse nicht bemerken kann und was hinter der Geschichte, die Narnia so ähnelt und dem Kind aus dem Monat Oktober steckt – dann findet ihr das Graphic Novel unter diesem Link:
Für jeden Graphic Novel, Horror, Mystery und Spannungs-Fan ein absolutes Muss!
Text von Vanessa Pohl
Beitragsbild: © 2021 Dantes Verlag und Neil Gaiman; Illu. P. Craig Russell/Scott Hampton/Paul Chadwick