In Teepeeland in Berlin zahlt niemand Miete, aber alle tun etwas für die Gemeinschaft. Bewohnerin Elisabet gibt einen Einblick in das Leben in der Kommune an der Spree.
Nachts um drei kocht der Mitbewohner Nudeln, in der Küche sieht es aus wie auf einem Schlachtfeld, im Waschbecken liegen Haare und der Müll macht sich bald selbständig: wer kennt sie nicht, die Macken der WG-Mitbewohner*innen? Und dennoch leben die meisten von uns Studierenden gerne in Wohngemeinschaften. Warum? Weil es abgesehen von den Kosten gerade für junge Menschen die Chance bietet, mit Gleichgesinnten, Leidensgenoss*innen oder Studierenden aus anderen Kulturen den Alltag zu teilen. Abends spontan zusammen um die Häuser ziehen, gemeinsam kochen und sich austauschen: das sind Dinge, die die wenigsten von uns missen wollen. Doch wie sähe es aus, wenn wir in unseren WGs kein fließendes Wasser, keinen Strom und keine Bäder zur Verfügung hätten?
In Berlin gibt es Kommunen, in denen genau das der Fall ist. Zwischen der Spree und einer alten Eisfabrik in der Nähe des Ostbahnhofs liegt eine davon: Teepeeland.
Teepeeland ist ein Ort, an dem Menschen unterschiedlicher Nationen, sozialer Abstammung und Vergangenheit zusammenkommen. Manche bleiben nur für kurze Zeit, andere für immer. Es ist ein Ort ohne Luxus und Annehmlichkeiten. So gibt es etwa keine Sanitäranlagen und keine Heizungen. Dafür gibt es ein kompostierbares WC am Fluss und Lagerfeuer bzw. Gasballons, die an kalten Tagen für Wärme sorgen. Überall liegen bunte Plastikstühle, kaputte Paletten, selbst gemalte Schilder, Lampions und Reifen zwischen den Tipis, die diesem Ort auch seinen Namen geben. Es sieht chaotisch aus und bunt. In einem Käfig am Rand der großen Feuerstelle sitzen Hühner. Schweiß und Rauch liegen in der Luft.
Die Bewohner*innen von Teepeeland leben unter extrem einfachen Bedingungen und versuchen, so wenig wie möglich neu zu kaufen. Altes wird recycelt. Die Tipis bauen sie zum Beispiel aus Folien von Trucks und dämmen diese mit Abfällen von Baustellen. Zwischen den Tipis liegt ein Gemeinschaftsgarten, in dem Kräuter angepflanzt werden. Es gibt auch eine Gemeinschaftsküche, in der alle Bewohner*innen kochen können. Es ist der einzige Ort in Teepeeland, an dem es Strom gibt.
Elisabet tritt hinter dem Herd hervor und setzt sich auf die Bank vor der Hütte. Sie wohnt seit zwei Jahren in Teepeeland. Sie kommt aus Spanien und suchte eine Wohnung in Berlin. Als Übergangslösung zog sie in das Gästetipi – ursprünglich wollte sie nur zwei Wochen bleiben: aus zwei Wochen sind mittlerweile zwei Jahre geworden. Sie schätzt das Leben in der Kommune sehr, auch wenn sie gerade im Winter eine Heizung und ein warmes Bad vermisst.
Doch hier in Teepeeland erfährt sie Gemeinschaft. „Die Leute hier geben aufeinander acht.“, sagt sie. Erste graue Strähnen durchziehen ihr Haar. Sie trägt Flipflops, eine alte Kapuzenjacke und eine Leggins. Wäre sie in einer Wohnung, wäre sie den ganzen Tag alleine, sagt sie. In Teepeeland kommen häufig fremde Menschen zu Besuch, schauen sich an, wie sie hier leben und suchen das Gespräch. Das freut sie am meisten, denn so lernt sie immer wieder neue Leute kennen.
Außerdem muss sie sich keine finanziellen Sorgen machen, da das Wohnen in Teepeeland kostenlos ist. Man muss sich nur an den Kosten für den Strom in der Küche beteiligen und sich in die Gemeinschaft einbringen. Elisabet putzt und kümmert sich um den Garten. Regeln und Vorschriften gibt es kaum. Es wird alles im Plenum besprochen und abgestimmt. Unerwünscht sind allerdings harte Drogen, hochprozentiger Alkohol sowie Rassismus und Sexismus.
Gemeinschaft und anti-kapitalistisches Denken sind wichtige Grundpfeiler von Teepeeland. Seit sieben Jahren existiert das kleine Dorf an der Spree mittlerweile. Etwa acht Menschen leben dauerhaft hier. Es gibt auch zwei Tipis für Gäste, die für jeweils zwei Wochen bleiben dürfen. Wer länger bleiben möchte, muss die Entscheidung des Plenums abwarten. Außenstehende sind immer willkommen. Freitags gibt es einen Open-Stage-Abend und samstags einen Musikabend, zu denen Menschen von nah und fern kommen.
Um die Mittagszeit ist Teepeeland noch in einen tiefen Schlaf gehüllt. Die meisten Bewohner*innen gehen ganz gewöhnlichen Jobs nach: Elisabet arbeitet beispielsweise in einem Hostel. Wegen Corona hat sie aktuell allerdings keine Arbeit mehr. Aber sie ist entspannt. “Das ist das Tolle an Teepeeland“, sagt sie. Sie ist nicht abhängig von einem geregelten Einkommen.
Das Grundstück, auf dem die Tipis liegen, gehört den Bewohner*innen nicht. Doch sie werden geduldet, da sie sich um alles kümmern und auf das Fabrikgelände achtgeben. Außerdem bekommen sie viele Spenden von Nachbar*innen wie Wasser oder Baumaterialien, mit denen sie ihre Tipis und Hütten bauen können. So konnten sie auch eine Bar und eine Bühne gestalten.
Elisabet ist hier glücklich. Sie liebt ihr Leben „apart from society“, wie sie es nennt. Sie hat Zeit, Berlin zu genießen, auch ohne einen festen Job zu haben. Doch sie will nicht für immer in Teepeeland bleiben. Es gibt noch viele andere Kommunen in Berlin, in denen es Strom und fließendes Wasser gibt. Dort möchte sie bald hinziehen.
Es ist Nachmittag geworden und die ersten Sonnenstrahlen brechen zaghaft durch die Wolkendecke. Hin und wieder sind Touristenboote auf der Spree zu sehen. Langsam erfüllt sich Teepeeland mit Leben und immer mehr Menschen finden an diesem Ort zusammen, um zu lachen, zu reden und Gemeinschaft zu erfahren.
Text und Bilder von Sophie Schuh