Warum denken wir Deutsche Zahlen in der Sprache eigentlich so kompiziert?

Bedingt durch Corona warten achtzigeins Millionen Deutsche jeden Tag auf eine spannende Zahl: Wie viele Neuinfektionen meldet das RKI heute? Am zwanzigdritten zehnten zweitausendzwanzig meldete das Institut zehneinstausend vierhundertzwanzigvier mehr Infektionen als am Vortag, die Zahl der Todesfälle stieg um vierzigneun auf neuntausendneunhundertfünfzigvier. Die Zahlen steigen, das bekommen wir alle täglich mit. Doch wie wäre es eigentlich, wenn die Zahlen sich wortwörtlich gesprochen, ändern würden? Man sie also anders ausspräche, als wir es in unserer komplizierten deutschen Sprache tun.

2.479.202.398.721

Für uns ist klar, das hier ist eindeutig Zwei Billionen Vierhundertneunundsiebzig Milliarden Zweihunderzwei Millionen Dreihundertachtundneunzigtausend Siebenhundereinundzwanzig. In der deutschen Sprache wird in der Regel die Einserstelle vor der Zehnerstelle gesprochen, allerdings spricht das eigentlich gegen jede Vernunft, Sätze sprechen wir ja auch von links nach rechts. Im Englischen, Französischen und anderen europäischen Sprachen spricht man, zumindest ab der Zahl zwanzig aufwärts, zuerst die Zehnerstelle und dann die Einerstelle. Wir Deutschen sind damit zwar nicht alleine. Im Arabischen wird von rechts nach links gelesen, man spricht dort die Zahlen in der gleichen Reihenfolge wie im Deutschen. In Europa machen es außerdem z. B. die Tschech:innen und die Dän:innen wie wir.

Doch was wäre, wenn aus 2.479.202.398.721 plötzlich zwei Billionen vierhundertsiebzigneun Milliarden zweihundertzwei Millionen dreihundertneunzigachttausend siebenhundertzwangzigeins wird? Der Aufschrei wäre vermutlich groß, doch genau dieses System zu etablieren versucht ein Verein, der sich zwanzigeins nennt. Er kämpft dafür, dass in Deutschland beide Sprechweisen benutzt werden können. Sogar einige Wissenschaftler:innen sind der Meinung, dass mit dieser Sprechweise das Rechnen leichter fällt, da es logischer scheint, die Zahlen von links nach rechts zu lesen. Selbst die Zahlen „11“ und „12“ sollen sowohl ihre alten Namen elf und zwölf behalten, als auch mit zehneins und zehnzwei einen neuen Anstrich bekommen. Zudem soll noch ein bisschen Ordnung in die Schreibweise von Zehnerpotenzen gebracht werden, man schreibt komischerweise im deutschen zweitausend aber dann trotzdem zwei Millionen. (Hier möchte der Verein lediglich eine konsistente Schreibweise einführen, dass der Faktor und die Zehnerpotenz immer getrennt oder auseinander geschrieben sein sollen.)

Wenn man sich selber mal ein bisschen dazu zwingt, es auszuprobieren, alle Zahlen mal in Leserichtung zu sprechen, fällt es nach kurzer Zeit gar nicht so schwer und hört sich sogar relativ stimmig an. Mit den Kommilliton:innen in dieser Sprechart die nächsten Übungen machen, fiele wahrscheinlich trotzdem sehr schwer. Spätestens wenn 2 Leute sich missverstehen bricht unterhaltsames Chaos aus.

Braucht man die Veränderung nun oder nicht, stellt sich jetzt die Frage. Einerseits gibt es gute Argumente dafür, ein neues System parallel einzuführen, dennoch sind Sprachen ja so einzigartig, dass es auch etwas wunderbares ist, dass jede Sprache so ihre Eigenheiten hat. Versuche, Sprache für einen großen Teil der Menschheit zu vereinheitlichen, schlugen meist fehl (Esperanto). Vielleicht ist es bei den reformallergischen Deutschen auch einfach keine schlechte Idee, solche Dinge mit Vorsicht anzustoßen, wenn man sich nicht gerade vor dem Verfassungsgericht wiedersehen will, „nur“, weil man seine Telefonnummer mal vierhundertneunzigneun Millionen einhundertdreißigeinstausend achthunderfünzig aussprechen mag.

Für mehr Informationen empfehle ich folgende Links:

https://zwanzigeins.jetzt/downloads/Positionspapier_Zahlensprechweise_Zwanzigeins%20eV_03.12.2020.pdf

(Verein zwangzigeins Positionspapier)

https://www.youtube.com/watch?v=L5YZSZTO2tk

(Beitrag von ARTE zu diesem Thema)

 

Von Henrik Hösch