Autorin Nancy war bei der Premiere von „Der Schimmelreiter“ von Jan Holtappels, aufgeführt am Gostner Hoftheater.

Man könnte meinen, jede:r hat schonmal von dem Schimmelreiter von Theodor Storm gehört. Ob nun in der Schule, an der Universität, durchs Eigenstudium oder auch bereits verfilmt im Jahre 1984, „Der Schimmelreiter“ ist auch 200 Jahre später immer noch von Bedeutung.

In Nordfriesland, Ende des 19. Jahrhunderts lebt Hauke Haien, ein ambitionierter und von seinen Mitmenschen unverstandener intelligenter, junger Mann, welcher bestrebt ist durch moderne Methoden des Deichbaus das Dorf gegen die Naturgewalten der See zu schützen.
Hauke trifft bei seinen Dorfbewohnern auf Misstrauen und Neid, da dieser sich lieber auf logische und genaue Berechnung beruft, anstatt abergläubige Traditionen zu berücksichtigen.

Wer den Schimmelreiter gelesen hat, weiß, dass der Kampf zwischen Traditionen, Aberglaube und Fortschritt in dieser Geschichte ein düsteres, kaltes und nasses Ende nimmt.
Wer sich nun also in den Theatersaal des Gostner Hoftheaters begibt, um den Schimmelreiter zu sehen, mag eine unheimliche, geisterhafte und tragische Vorstellung erwarten.
Und tatsächlich ist es den Darsteller:innen wahrhaftig gelungen, die bedrohliche und gespenstische Stimmung der Novelle poetisch und eindringlich wiederzugeben.
Flüsternd, im blau getränkten Bühnenlicht schauen die Darsteller:innen in der Ferne.
Das Publikum und die Bühne im Nebel verschlungen:

„Da geht ein Pferd – ein Schimmel – das muss der Teufel sein.“

Das Bühnenbild an sich hält sich sehr minimalistisch. Nur im Hintergrund türmt sich eine gewaltige Installation aus Plastik – oder metallenen Rohren, welche möglicherweise den Deich widerspiegeln könnte.

Durch den kreativen Einfluss der Technik, werfen die Darsteller:innen ebenso eigene gespenstische Schatten an die Bühnenwände, während sie meinen, die Geister der Ertrunkenen in der Ferne zu erblicken.

Ansonsten wird die Vorstellung von der beeindruckenden Leistung der Schauspieler:innen getragen. Rebecca Kirchmann, David Moorbach, Malte Sylvester und Thomas Witte halten ihr Publikum für die ganzen 90 Minuten des Stücks im Bann, während sie von einer Rolle in die andere springen. Obwohl es sich bei dem Schimmelreiter um eine eher bedrückende Erzählung handelt, wird das Publikum mit einer ordentlichen Portion Humor und Entertainment überrascht.
Die Aufführung bleibt hierbei dennoch der Lektüre treu.

Liebhaber:innen von Theodors Storms Novelle „ Der Schimmelreiter“ ist die Inszenierung von Jan Holtappels daher außerordentlich zu empfehlen. In unserer modernen, oft reizüberfluteten Welt, sei aber auch neuen Theaterbesucher:innen ein Besuch zu empfehlen, da dieses Stück uns einlädt, wieder unsere eigene Imagination zu nutzen, während Rebecca, David, Malte und Thomas die Erzähler:innenrolle übernehmen, sodass wir den Wind der rauen See schon fast auf unserer eigenen Haut spüren können.

„Der Schimmelreiter“ von Theodor Storm

am Gostner Hoftheater

Mit: Malte Sylvester, David Moorbach, Rebecca Kirchmann, Thomas Witte

Regie: Jan Holtappels

Bühne & Kostüme: Jörg Zysik
Dramaturgie: Christine Haas
Altersempfehlung: ab der der 8. Jahrgangsstufe
Spielort: Gostner Hoftheater

Premiere: 9. November 2023

Termine und Tickets findet ihr hier: https://www.gostner.de/spielplan/stuecke/2023-24/der-schimmelreiter.php

von Nancy Hein