Ĉu mi rajtas prezenti min? Mi estas planlingvo, kiu bedaŭrinde neniam fariĝis mondlingvo. (Darf ich mich vorstellen? Ich bin eine Plansprache, die leider nie eine Weltsprache wurde.) 

 

Stellt euch vor, es gäbe eine ideale Sprache. Eine Sprache, in der jedes Wort so geschrieben wird, wie man es spricht. Eine Sprache, in der es keine Geschlechter und nur eine Vergangenheitsform gibt. Und vor allem: Eine Sprache, die keine Ausnahmen kennt. Das klingt nach einer Utopie? Nein, diese Sprache gibt es wirklich. Sie heißt Esperanto.

Heutzutage können wir uns eine Welt ohne Englisch kaum vorstellen, die Sprache Shakespeares ist scheinbar allgegenwärtig: Ein niederländischer Geschäftsmann würde sich mit einem Kollegen aus China auf einer Konferenz in Dubai auf Englisch unterhalten. In einer Ausstellung französischer Impressionisten in Moskau würden sich deutsche Touristen mithilfe englischer Begleittexte Informationen verschaffen. Auch litauischen Piloten einer ungarischen Airline würde man in Athen die Landerlaubnis auf Englisch erteilen. Vor etwa 70 Jahren hat sich Englisch endgültig als die Weltsprache Nummer 1 durchgesetzt, heutzutage kann sie keiner mehr von ihrem sprachlichen Olymp stürzen. Im Jahre 1887 aber konnte man eine solch totale Ausbreitung des Englischen noch kaum voraussagen, weshalb sich ein polnischer Augenarzt namens Ludwig Zamenhof das Ziel gesetzt hatte, eine Sprache zu entwickeln, die unsere Welt einigen sollte. Er nannte sich Doktoro Esperanto, Doktor Hoffender.

 

Alles begann in Białystok

Anregung für sein Lebenswerk fand er direkt vor seiner Haustür: In seiner Heimatstadt Białystok lebten damals Russen, Deutsche, Polen und Juden Seite an Seite, und doch waren die verschiedensprachigen Nachbarn nur äußerst selten miteinander befreundet, denn sie kannten die Sprache des jeweils anderen nicht und konnten gar nicht miteinander kommunizieren. Und so begann Zamenhof eine Sprache zu kreieren, deren Erlernen kinderleicht sein sollte.

 

“birdo” und “hundo”

Esperanto ist bei weitem nicht die erste der sogenannten Plansprachen, also der künstlichen bzw. konstruierten Sprachen. Es ist aber zweifelsohne die bekannteste und die eleganteste unter ihnen. Man spricht gelegentlich auch von einer Puzzlesprache, denn gleich einem Patchworkteppich setzte Zamenhof sein Esperanto aus Vokabeln unterschiedlichster europäischer Sprachen zusammen. So holte er aus dem Französischen beispielsweise das Pferd (ĉevalo/chevalle), die Stimme aus dem Italienischen (voĉo/voce), den „hundo“ aus dem Deutschen, den „birdo“ (also den Vogel) aus dem Englischen. Mithilfe von Suffixen und Präfixen (also Vor- und Nachsilben) lassen sich nach stets denselben Regeln weitere Wörter bilden. Zur Veranschaulichung nehmen wir das Verb telefonieren (telefoni), woraus wir z.B. telefono (Telefon), la telefoninto (der/die telefoniert Habende) und la altelefonito (der/die Angerufene) bilden können.

 

Grammatik leicht gemacht

Die phonematische Schreibweise, bei welcher ein Schriftzeichen immer nur einen Sprachlaut repräsentiert, bietet einen enormen Vorteil z.B. gegenüber dem Französischen (man denke nur an Renault oder Peugeot!). Faszinierend ist auch die Anzahl der grammatikalischen Zeiten im Esperanto: Man kennt nur eine Vergangenheit, eine Gegenwart und eine Zukunft! Keine zwölf verschiedenen Zeiten wie im Englischen und Französischen, wo selbst Muttersprachler manchmal die ganzen Tempi bunt durcheinandermischen. Und das Allerschönste daran: Jedes, absolut jedes Verb wird auf die gleiche Art und Weise konjugiert, wobei der Wortstamm unverändert bleibt. Es gibt keine Ausnahmen! Sogar das Verb „sein“, das fast in jeder Sprache in den meisten Zeitformen unregelmäßig gebeugt wird, ist regelmäßig, es hat dieselben standardisierten Endungen wie alle anderen Verben (mi estis – mi estas – mi estos: ich war, ich bin, ich werde sein). Dabei gibt es pro Zeit nur eine Form. Zwar folgen alle Sprachen einer inneren Logik, bestimmten sprachlichen Gesetzen und grammatikalischen Regeln. Und doch entstehen sie organisch und unkontrolliert, und so finden sich stets zahlreiche Beispiele, die der allgemeinen Logik widersprechen. Nicht aber in Esperanto, einer von Anfang an konzipierten Sprache, die auf strikter Systematik basiert, welche das Erlernen ungemein erleichtert.

 

Esperanto vs. Englisch – ein unfairer Kampf

Es heißt, man bräuchte sieben lange Jahre, um Englisch zu erlernen, aber nur gerade einmal sieben Monate, um flüssig auf Esperanto zu parlieren. Daher ist es kaum verwunderlich, dass sich anfangs viele Menschen für diese neue Plansprache begeisterten. Es wurden Landesverbände gegründet, Lehrbücher in verschiedenen europäischen Ländern verbreitet, mancherorts gab es sogar Zeitungen und Radiosendungen auf Esperanto. Doch diktatorische Regimes der 1930er Jahre in Europa setzten dieser aufstrebenden Weltsprache ein jähes Ende: So galten Esperantisten in der Sowjetunion als Staatsfeinde und Spione, das NS-Regime sah darin einen Teil der jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die USA schließlich zur globalen Supermacht und so kickte das Englisch, die „Sprache der Sieger“, das Esperanto in der westlichen Welt endgültig vom Spielfeld.

In einigen Ostblockstaaten unterrichtete man dagegen Esperanto sogar in Schulen (z.B. in Polen), man wollte schließlich nicht die „Sprache des Feindes“ den Kindern beibringen. Heutzutage beherrschen zwar bis zu zwei Millionen Menschen die von Ludwig Zamenhof erschaffene Weltsprache, auf duolingo gibt es sogar Esperanto-Sprachkurse und es existieren zahlreiche Publikationen auf Esperanto, doch bleibt diese Sprache trotzdem eine Randerscheinung.

Hat aber Esperanto vielleicht doch noch eine Chance? Zum Beispiel als die zukünftige Amtssprache der EU? Einerseits liegt es auf der Hand, dass sich Esperanto viel besser als Weltsprache eignen würde als Englisch, man denke nur an dessen komplizierte Grammatik und die dank der Myriaden Ausnahmen undurchschaubare Aussprache, andererseits ist der Zug natürlich längst abgefahren. Selbst wenn man anfangen würde, Esperanto für Informationszwecke zu verwenden (man denke nur an die eingangs beschriebenen Geschäftsleute, Ausstellungstexte und Piloten), so kann man sich eine globale Esperanto-Popkultur kaum vorstellen. Englisch ist für einen großen Teil der Weltbevölkerung zur Alltagskultur geworden, durch englische Popsongs, Hollywood-Streifen, Anglizismen. Somit ist Englisch für uns weit mehr als nur ein Werkzeug für Informationsgewinnung, es ist ein Teil unseres Lifestyles, den Esperanto leider niemals ersetzten könnte.

 

von Martin Scherbakov

Beitragsbild: Wikipedia, Esperanto-Flagge