Unser Autor Henrik durfte sich die Uraufführung von “Der Damm” von David Lindemann am Staatstheater Nürnberg anschauen. Er findet: die poppige Synthie-Gesellschaftskritik ist auf jeden Fall sehenswert!
Punkige Synthie-Musik (Musik: Lenny Mockridge) schallt durch den Raum, währen das Ehepaar Ehrlich letzte Vorbereitungen trifft, um den Pressetermin mit Redakteur*in Loft abzuwickeln. In dem folgenden Gespräch wird die Diskrepanz zwischen Realität und Kunst sehr deutlich und die Zuschauer*innen fühlen sich herrlich unwohl im Hause Ehrlich. Wobei die Frage, was ein Haus ist, von Herrn und Frau Ehrlich sicher nicht dem entspricht, was man sich als Ottonormalverbraucher*in vorstellt.
Mal wie ein Psychothriller, mal ein theologisches Werk und mal könnte man denken, man ist ist einer Star Trek Folge gelandet – den bunten Kostümen und dem kontrastreichen Bühnenbild sei Dank. Llewelynn Reichman spielt Frau Ehrlich knallhart und selbstbestimmt, die wie ein egozentrisch Architektur-Punk daherkommt.
Das Ganze Stück über versucht Herr Ehrlich aus dem Schatten seiner Frau zu treten und um ihre Gunst zu buhlen, doch das gelingt ihm nur mäßig gut. Er stimmt ihr blind in jedem Belangen zu und unterwirft sich ihr. Janning Kahnert verkörpert diese Rolle als zweite Geige und Hausmann sehr schön und gibt jedes Mal brav klein bei, wenn Frau Ehrlich etwas nicht passt.
Deutschland ist in einer Dystopie, wo Porta Westfalica eine bedeutende Stadt ist, die nur von „dem Damm“ davor bewahrt wird, wortwörtlich den Bach runter zu gehen. Die Gesellschaft ist zwar aufgeklärter denn je in dieser weit entfernten Zukunft, der Damm will allerdings vergöttert, als wäre die Menschheit ein Naturvolk. Man versucht sich einzureden, dass man ja die Gründe für seinen Konsum erkannt hat und dass das auch alles schlecht ist, doch selbst will man natürlich nicht auf den von den Generationen davor erbauten Wohlstand verzichten.
Der Gesellschaft wird eigentlich in jeder Szene ordentlich der Spiegel vorgehalten, egal ob versucht wird, Loft als Pressevertreter*in (Elina Schkolnik) den Text vorzudiktieren oder ob dem “einfachen Handwerker” Kalk (Nicolas Frederick Djuren) plötzlich die Opferrolle zugeschoben wird und am Ende der Jesus für eine verlorene Gesellschaft sein soll, die sich ihre Schuld nicht eingestehen will – obwohl der Gesellschaft diese Schuld durchaus bewusst ist.
Wenn man möchte erkennt man in der Inszenierung ganz viele wunderbare Anspielungen auf andere popkulturelle Werke, wie das oben bereits erwähnte Star Trek oder David Bowie. Das Ende erinnert an „Das Parfum“, weil sich plötzlich alle zusammen in Blut einseifen und deutlich wird, dass alles gar keine Zweck mehr hat.
Wer auf poppige, schrille Farben gemischt mit Gesellschaftskritik steht, der wird an „Der Damm“ auf jeden Fall Spaß haben. Die ca. 1 Stunde 45 Minuten lange Vorstellung ist kurzweilig und regt zum Nachdenken an – auf jeden Fall ein sehenswertes Stück!
Tickets und Termine findet ihr hier.
“Der Damm” von David Lindemann
am Staatstheater Nürnberg
Regie: Kieran Joel
Bühne & Kostüm: Barbara Lenartz
Dramaturgie: Fabian Schmidtlein
Musik: Lenny Mockridge
Lichtdesign: Frank Laubenheimer
Besetzung: Llewellyn Reichman, Janning Kahnert, Elina Schkolnik, Nicolas Frederick Djuren, Sascha Tuxhorn, Inge Bickel, Otmar Hitzegrad
von Henrik Hösch
Beitragsbild & Foto im Text: Konrad Fersterer