Von wegen Tuberkulose kommt nur in historischen Dramen vor – Autor Niklas erzählt interessante Fakten über die Infektionskrankheit, die auch heute noch insbesondere in Krisengebieten zum Gesundheitsrisiko wird.

Tuberkulose ist eine schwere durch Bakterien verursachte Erkrankung und aktuell weltweit die zweithäufigste Todesursache aufgrund einer Infektionskrankheit nach COVID-19 [1]. In Deutschland ist die Tuberkulose gerade bei jüngeren Menschen weniger bekannt und der Name der Krankheit weckt eher Erinnerungen an Schwarzweißbilder aus alten Geschichtsbüchern. Wie kommt es zu dieser Diskrepanz?

Im Laufe der COVID-19-Pandemie hatte das Robert Koch-Institut eine enorme Medienpräsenz. Das Bundesinstitut wurde nach dem deutschen Forscher benannt, der Ende des 19. Jahrhunderts durch die Entdeckung des Tuberkuloseerregers berühmt wurde, dann aber auf der Suche nach einem Heilmittel gegen das Bakterium scheiterte. Das Tuberkulin – ein Stoffgemisch isoliert aus Tuberkuloseerregern, welches er als Therapeutikum gegen die Tuberkulose erforschte – zeigte keine Wirksamkeit. Robert Koch lebte in einer Zeit vor der Entdeckung der Antibiotika. Erst in den 1920er Jahren entdeckte der britische Bakteriologe Alexander Fleming in einer seiner Bakterienkulturen per Zufall einen Penicillin bildenden Schimmelpilz [2], wodurch die Ära der Antibiotika eingeläutet wurde. 1943 wurde mit Streptomycin das erste Antibiotikum gefunden, das auch gegen Tuberkulose wirksam ist [3]. Bis dahin war die einzig mögliche Therapie der damals auch „Schwindsucht“ genannten Tuberkulose der Besuch eines Sanatoriums. Hier wurden Patienten im Wesentlichen mittels Ruhe, Isolation und Ernährung behandelt [3,4]. Besonders in den Nachkriegszeiten des 1. und 2. Weltkrieges stellten Ausbrüche der Tuberkulose ein relevantes Gesundheitsrisiko für die europäische Bevölkerung dar [5,6].

Welche Symptome werden durch Tuberkulose ausgelöst? Die Tuberkulose ist eine Systemerkrankung. Das heißt, die bakterielle Infektion kann im Prinzip jedes Körperorgan befallen und somit alle erdenklichen Symptome hervorrufen. Klassisch ist jedoch die Präsentation der Erkrankung als Lungentuberkulose. Häufige Symptome sind blutiger Husten, Fieber und Nachtschweiß. Wegen des starken Gewichtsverlusts, der im Laufe der Infektion durch den Verbrauch körperlicher Ressourcen entsteht, wurde die Erkrankung früher „Schwindsucht“ genannt.

Die Infektion erfolgt bei Kontakt mit Erkrankten per Tröpfcheninfektion. Jedoch geschieht dies wesentlich weniger leicht als z.B. bei COVID-19. Es sind längere Kontakte oder eine Immunschwäche nötig. Ist eine Infektion erstmal erfolgt wird diese vom Erkrankten häufig zunächst nicht wahrgenommen. Der Tuberkuloseerreger bleibt über eine lange Zeit – möglicherweise über Jahre – stumm und wird vom Immunsystem in Schach gehalten. Jedoch schafft es der Körper in der Regel nicht, den Erreger vollständig zu eliminieren. Dieser Zustand wird als „latente Tuberkulose“ bezeichnet. Erstaunlicherweise ist kaum bekannt, dass knapp ein Viertel (!) der Weltbevölkerung latent infiziert ist [7].

Später kann es zum Ausbruch der Erkrankung kommen. Vergleichbar ist das in gewisser Hinsicht mit der hier in Deutschland bekannteren Gürtelrose. Die Gürtelrose entsteht durch das Windpockenvirus, das nach der Infektion in der Kindheit über Jahrzehnte im Körper schlummert, bis es in manchen Fällen wieder zum Ausbruch kommt. Heutzutage gibt es die Impfung gegen Windpocken, welche die Wahrscheinlichkeit einer Infektion stark reduziert. Mögliche Auslöser für den Übergang der latenten in eine aktive Tuberkulose sind z.B. Mangelernährung, Krebserkrankungen oder eine Schwächung des Immunsystems durch Medikamente – sogenannte Immunsuppressiva. Deswegen muss vor einer immunsupprimierenden Therapie der Ausschluss einer Tuberkulose erfolgen. Eine weitere wichtige Ursache für die Schwächung des Immunsystems ist HIV / AIDS.

Heutzutage ist die Tuberkulose immer noch ein globales Problem, wobei besonders der afrikanische, der asiatische und der südamerikanische Kontinent betroffen sind [7]. Dabei spielen oben genannte Risikofaktoren aufgrund von Armut, Mangelernährung und die höhere Rate an HIV-Infektionen eine entscheidende Rolle. Es bräuchte mehr finanzielle Mittel, um ein funktionierendes Gesundheitswesen zu etablieren, das in der Lage ist, der Tuberkulose die Stirn zu bieten.

In Deutschland hat die Häufigkeit der Tuberkulose in den letzten Jahrzehnten rapide abgenommen, wodurch sie hierzulande an Bekanntheit verloren hat. 2021 gab es in Deutschland noch 3.986 Neuerkrankungen [8]. Dahingegen spielt die Tuberkulose in osteuropäischen Staaten weiterhin eine große Rolle. Seit der russischen Invasion und dem andauernden Krieg in der Ukraine ist die humanitäre Lage teils katastrophal und das Land steht vor großen medizinischen Herausforderungen, da die Tuberkulose dort immer noch verbreitet ist [6].

Unter anderem aufgrund der niedrigen Neuerkrankungsrate in Deutschland hat die Ständige Impfkommission des Robert Koch-Instituts 1998 die Empfehlung für eine Impfung gegen die Tuberkulose zurückgenommen [9], die bis dahin eine der Standardimpfungen war. Der einzige Impfstoff gegen Tuberkulose, der seit über 100 Jahren existiert, ist Bacillus Calmette-Guérin. Er besteht wie alle Lebendimpfungen aus einem abgeschwächten Erreger. Im Gegensatz zur Windpockenimpfung hat dieser Impfstoff jedoch eine begrenzte Effektivität, die nicht ausreicht, um Infektionsketten zu unterbrechen. Die Isolation und schnelle antibiotische Behandlung Erkrankter spielt eine wesentlich wichtigere Rolle. Jedoch kann der Impfstoff die Schwere der Tuberkulose abmildern [10]. Aus diesem Grund wird Bacillus Calmette-Guérin in vielen Ländern immer noch geimpft und teilweise sogar als Reiseimpfung gefordert. Die antibiotische Therapie ist sehr aufwändig. Sie dauert in der Regel 6 Monate, beinhaltet 4 verschiedene Medikamente und erfordert eine sorgfältige und regelmäßige Einnahme durch die behandelte Person. Nicht zuletzt aufgrund fehlerhafter Medikamenteneinnahme steigt die Rate an Tuberkuloseerregern mit Antibiotikaresistenzen seit einigen Jahren an.

Die WHO (World Health Organisation) hat es sich zum Ziel erklärt, das Auftreten neuer Tuberkuloseerkrankungen zwischen 2015 und 2035 um 90 % zu reduzieren [7]. Dabei spielen nicht nur die flächendeckende Umsetzung medizinischer Maßnahmen eine Rolle, sondern auch politische und soziale Interventionen sowie die weltweite Armutsbekämpfung. Die COVID-19-Pandemie hat das Erreichen dieser Ziele durch die kurzzeitig eingeschränkte Gesundheitsversorgung deutlich zurückgeworfen [7]. Die Forschung konzentriert sich seit einigen Jahren auf die Entwicklung neuer Impfstoffe, die möglicherweise eine bessere Effektivität zeigen und Bacillus Calmette-Guérin ersetzen könnten [11].

Während die Tuberkulose in West- und Mitteleuropa seit vielen Jahren an Bedeutung verloren hat, ist sie nach wie vor eine global verbreitete Infektionserkrankung, die jährlich zahlreiche Todesopfer fordert. Entscheidend für die Unterbrechung von Infektionsketten ist die frühe Erkennung und antibiotische Behandlung der Erkrankung. Für die weltweite Eradikation der Tuberkulose sind die Bekämpfung von Armut und ein besserer Zugang zum Gesundheitssystem essenziell. Möglicherweise ist es denkbar, die Tuberkulose mithilfe eines wirksameren Impfstoffes in Zukunft vollständig zu beseitigen. Die Entwicklung der weltweiten Infektionszahlen kann online im jährlichen „Global Tuberculosis Report“ der WHO mitverfolgt werden [12].

Quellen:

  1. https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/tuberculosis#:~:text=Worldwide%2C%20TB%20is%20the%2013th,women%20and%201.2%20million%20children
  2. https://www.aerzteblatt.de/archiv/52563/Alexander-Fleming-(1881-1955)-Penicillin
  3. https://www.cdc.gov/tb/worldtbday/history.htm

4. https://de.wikipedia.org/wiki/Lungenheilst%C3%A4tte

5. https://www.atsjournals.org/doi/10.1164/rccm.201501-0135OE

6. https://breathe.ersjournals.com/content/19/1/220166

7. https://iris.who.int/bitstream/handle/10665/363752/9789240061729-eng.pdf?sequence=1

8. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/T/Tuberkulose/Archiv_Berichte_TB_in_Dtl_tab.html?nn=2375460

9. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/1998/Ausgabenlinks/15_98.pdf?__blob=publicationFile

10. https://jamanetwork.com/journals/jama/article-abstract/366365

11. https://www.who.int/teams/global-tuberculosis-programme/research-innovation/vaccines

12. https://www.who.int/teams/global-tuberculosis-programme/tb-reports

von Niklas Blaha

Beitragsbild: Unsplash (CDC)