Henrik Hösch schreibt über die Inszenierung “Der Steppenwolf” von Goyo Montero am Staatstheater Nürnberg.

Komm mit mir ins Abenteuerland, der Eintritt kostet den Verstand. So lautet der wahrscheinlich größte Hit von PUR. Den Verstand konnte man bei der Premiere von „Der Steppenwolf“ in der Inszenierung von Goyo Montero eigentlich auch mit an der Garderobe mit abgeben.

Der Roman von Hesse über die Zerrissenheit seiner Persönlichkeit inszeniert Montero aufwendig und intensiv mit vielen Tänzer:innen, die ihre Gefühle äußerst authentisch durch den Tanz zum Ausdruck bringen. Schon zu Beginn bröckelt die vierte Wand, als eine Tänzerin vor der erste Reihe am Publikum entlang ausdrucksstark eine Art Schatten von Harry spielt.

Harry, die Hauptperson der Erzählung, wird der Steppenwolf genannt. Dieser kann vieles, außer mit sich selbst zufrieden sein. So steht es zumindest im deutschen Libretto, das Stück selbst wird auf Englisch gespielt. Dazu in einem recht eigenartigen Englisch, obwohl das Original von Hesse ja auf Deutsch geschrieben ist. Das macht es gar nicht so einfach, der Erzählung zu folgen, wenn man nicht jedes Wort versteht. Und so viele Wörter werden dann auch nicht gesprochen.

Victor Ketelslegers wird von den Tänzer:innen auf Händen getragen

Mehr gesprochen wird in der Bildsprache und im Tanz, es ist ja schließlich ein Ballett. Und in diesen Sprachen äußert deutlich und hervorragend. Die Choreografie von Montero ist exzellent und kommt durch die Qualität der Tänzer:innen angemessen zur Geltung. Victor Ketelslegers (Victor Polster) als Solotänzer liefert unfassbar ab und wird vom Publikum zu Recht gefeiert. Der talentierte Tänzer aus Belgien war drei Jahre unter Montero am Staatstheater angestellt und ist mittlerweile in Göteborg beheimatet. Für „Der Steppenwolf“ kehrt er als Gast zurück.

„For Madmen only“ prangt es auf der riesigen Videotafel, die nach kurzer Zeit ins Bühnenbild herabgelassen wird, und die Musik wird immer verrückter und intensiver. Auch das Bühnenbild wandelt sich. Bestehend aus dreiseitigen, beweglichen Elementen wird es in jeder Szene anders eingesetzt. Spiegelnd, rot gepolstert und metallisch-industriell sind die Seiten des Bühnenbilds, die hervorragend gearbeitet sind und klasse aussehen. Die Tänzer:innen binden sie toll in die Tänze ein, klettern herum, öffnen Türen und bringen jeden Winkel und jede Ecke in den Fokus.

Zum Schluss wird in der Erzählung im Publikum über das Schicksal von Harry entschieden, dafür mischen sich Tänzer:innen unter die Leute und machen lautstark auf sich aufmerksam. Das muss man mögen, macht das Stück aber extrem nahbar. Während ich es interessant fand, aus allen Richtungen etwas mitzubekommen, hat es der Frau neben uns so wenig gefallen, dass sie sich die Ohren zuhielt. Wer ein Theatererlebnis zum zurücklehnen und berieseln sucht, wird hier nicht sehr fündig, dafür ist es viel zu lebhaft.

Eindrucksvolles Bühnenbild von Curt Allen Wilmer

Im Interview spricht Montero davon, „sein eigenes Destillat“ zu „Der Steppenwolf“ zu finden. Ich würde sagen, das ist ihm gelungen, destilliert und reduziert auf die zentralen Elemente ist es. Leider kommt die Handlung dann doch etwas zu kurz und ich kann jetzt nicht behaupten, verstanden zu haben, worum es in „Der Steppenwolf“ geht. Ohne das Buch gelesen zu haben, versteht man von der Handlung nur die grundsätzlichsten Züge über innere Zerrissenheit. Das Libretto hilft hier, aber das hat bekanntermaßen auch nicht jede:r.

Vom Ballett, der Musik und dem Bühnenbild bin ich jedenfalls begeistert, so eine eindrucksvolle Inszenierung habe ich lange nicht mehr gesehen. Dafür kann nur eine Empfehlung ausgesprochen werden, wer modernes Ballett mag, findet hier 80 Minuten Tanz auf höchstem Niveau. Die Kostüme und die lebhafte Musik untermalen den Tanz ebenfalls sehr schön.

„Der Steppenwolf“ von Goyo Montero. Termine und Tickets online beim Staatstheater Nürnberg. 9 Aufführungen bis Anfang Februar.

Musik von Owen Belton. Alle Bildrechte bei Staatstheater Nürnberg / Jesús Vallinas

Rezension von Henrik Hösch

In eigener Sache: Aktuell sind viele Menschen erkältet und ja, auch mir fällt es schwer auf Dinge zu verzichten, auf die ich mich lange gefreut habe. Da gehört auch eine Ballett-Premiere dazu. Es stört auch sicher die wenigsten, wenn man sich in 90 min einmal leise räuspern muss. Aber während der Veranstaltung gestern war das konstante Gehuste sehr unerträglich. Quasi dauernd kam aus irgendeiner Ecke ein Husten und da waren nicht nur vorsichtige Räusperchen dabei, sondern ganz andere Kaliber. Das stört vor allem die Tänzer:innen auf der Bühne und wahrscheinlich auch die hustende Person selbst. Bleibt zuhause, wenn es euch schlecht geht, ihr tut euch keinen Gefallen.