In den nächsten Wochen bis zur Bundestagswahl am 24. September veröffentlichen wir regelmäßig Beiträge zum Wahlkampf. Hauptsächlich wird es eine Interviewreihe geben, in der wir Studierende an der Uni Erlangen-Nürnberg fragen, warum sie die von ihnen favorisierte Partei wählen. Die Aussagen der Interviewpartner stellen deren politische Meinung und natürlich nicht die Meinung der Redaktion dar. Den Anfang macht heute das Interview mit Lukas, warum er die FDP wählen möchte.

 

Lukas im Schlossgarten. Foto: Carla Ober

V: Warum wählst du bei der kommenden Bundestagswahl die FDP? Was hat dich überzeugt?

Mich überzeugt das Wahlprogramm und der Wirtschaftsliberalismus. Aber wichtiger als der Wirtschaftsaspekt ist für mich eigentlich die Freiheit der Menschen. In den letzten Jahren wurde von mehreren Journalisten gefragt, ob die FDP überhaupt noch relevant wäre. Das fand ich immer absurd, weil ich finde, dass man die FDP heute mehr braucht denn je. Wir leben in Zeiten, wo die CDU, CSU und allen voran unser bayerischer Innenminister Joachim Herrmann nur noch nach Sicherheit schreien und damit die Freiheit des Bürgers mit Totalüberwachung einschränken. Da sind die SPD und die Grünen auch nicht besser, sie schreien ebenso nur noch nach Kameras. Die FDP ist die Partei, die sich am stärksten auch für die Freiheit der Bürger einsetzt.

Außerdem wollen CDU und SPD alles regulieren und versuchen, über die Politik zu steuern. So wie die Auffassung auch der FDP ist, finde ich, dass die Politik nicht alles bestimmen muss und der Markt auch vieles selbst regulieren kann.

 

V: Was verstehst du unter Freiheit?

Das finde ich sehr schwer, zu formulieren. Spontan fällt mir dazu ein Facebookpost der Friedrich-Naumann-Stiftung ein: Da sollte man mit einem GIF kommentieren, was man unter Freiheit versteht. Ich hätte darunter einfach ein Bild mit dem Text “das ist Freiheit” oder “GIF” gepostet. Das ist für mich Freiheit.

Als Konzept sehe ich Freiheit in erster Linie als etwas, das zwischen den Menschen in der Gesellschaft liegt. Freiheit ist, dass man machen kann, was man will, solange man eben keinem anderen dabei schadet. Freiheit bedeutet, in einem Rechtsstaat zu leben, der aber eben nicht alles bis ins Kleinste regelt.

 

V: An wen richtet sich deine Partei?

Klar, in erster Linie an die Besserverdiener. Aber auch an alle, die die Freiheit lieben, und die bessere Bildung fordern und einen Fortschritt in der Digitalisierung wollen.

 

V: Bist du in der FDP Mitglied?

Ja. Als die FDP mit 4,8% 2013 nicht in den Bundestag gekommen ist und Christian Lindner den Parteivorsitz übernommen hat, hab’ ich mir gedacht, dass ich die FDP als Mitglied unterstützen muss, weil es wichtig ist, dass sie auch im Bundestag vertreten ist. Ich finde es nicht wichtig, dass die FDP viele Stimmen hat oder zur Volkspartei wird. Das Gleiche denke ich auch über die Grünen, dass ich zwar mit vielem nicht übereinstimme, aber es wichtig finde, dass sie auch im Bundestag vertreten sein sollten.

 

V: Bist du in der FDP auch aktiv?

Ja, ich habe 2014 für den Gemeinderat in Möhrendorf und den Kreistag Erlangen-Höchstadt kandidiert und kümmere mich um die Webseite der FDP Möhrendorf.

 

V: Wer ist der größte Sympathieträger in dieser Partei? Wen findest du unsympathisch? Und warum?

Christian Lindner finde ich am sympathischsten. Viele finden ihn etwas arrogant, aber, was man ihm definitiv anerkennen muss, ist, dass er rhetorisch sehr gut reden kann. Er kann eine Stunde lang eine Rede ohne Skript halten und er kann auch sehr gut diskutieren.

Wen ich nicht mag? Persönlich finde ich keinen wirklich unsympathisch. Rainer Brüderle ist zum Glück nicht mehr so aktiv – der wirkte auf viele Wähler nicht so kompetent und hat dem Image der Partei eher geschadet. Außerdem finde ich die meisten “klassischen FDP-Wähler” nicht so sympathisch.

 

V: Würdest du dich nicht als klassischen FDP-Wähler bezeichnen?

Auch wenn ich mit dem “klassischen” FDP-Wähler viele Überschneidungen (Jurastudent, Zahnarztsohn, Golfspieler, Wiederholungstäter im Sylt-Urlaub, Apple-Jünger) habe, kann ich mich mit ihm dennoch nicht identifizieren.

 

V: Was stört dich an deiner Partei?

Ihr Image als Partei für die Reichen.

 

V: Welche andere Partei findest du gut und welche schrecklich und wieso?

Ich finde, dass jede Partei ihre Daseinsberechtigung hat, außer der Linken und der AfD.

Die CDU finde ich in ihren Werten zu konservativ und zu sehr auf Sicherheitspolitik fokussiert, aber ich finde den Führungsstil von Merkel gut.

Bei der SPD finde ich es gut, dass man eine gewisse soziale Grundabsicherung hat und nicht einen komplett freien Markt.

 

V: Warum haben Linke und AfD deiner Meinung nach keine Daseinsberechtigung?

Die AfD, weil sie rechtsradikal ist, beziehungsweise sich nicht von Rechtsradikalen abgrenzt und abgrenzen will.

Die Linke, weil sie, wenn man ihr Wahlprogramm konsequent durchziehen würde, verfassungsfeindlich ist. Sie will eine Art Kommunismus einführen, der unvereinbar mit unserem Grundgesetz ist, zum Beispiel Artikel 14 Eigentum.

 

V: Widerspricht eine komplett liberalisierte Wirtschaft nicht auch dem Grundgesetz?

Vermutlich ja, aber letztendlich müsste das das Bundesverfassungsgericht klären. Das Grundgesetz schreibt eine soziale Marktwirtschaft vor, was ich auch gut finde, deswegen finde ich es wichtig, dass die SPD dafür eintritt.

 

V: Für Studierende relevant ist unter anderem die Forderung der FDP, die Studiengebühren wieder einzuführen. Was hältst du davon? Bist du bereit, wieder Studiengebühren zu zahlen?

Ich finde Studiengebühren gerechter, denn dadurch wird das Studium durch diejenigen finanziert, die die Leistungen auch tatsächlich in Anspruch nehmen und nicht über die Steuern, bei denen auch diejenigen zahlen, die mit dem Studium gar nichts zu tun haben und somit den Studenten ein kostenfreies Studium mitfinanzieren.

 

 

V: Was hältst du von der “Parfümwerbung” von Christian Lindner?

Sehr schick, aber genauso inhaltslos wie alle anderen Wahlplakate der anderen Parteien.

 

V: Was ist dein Lieblingswahlplakat?

Dieses:

Quelle: Christian Lindner bei Facebook

 

V: Was hältst du vom TV-Werbespot der FDP?

Ich find’ den super. Dynamisch, dramatisch, reißerisch! Ein Aufruf zum Neuanfang der FDP.

 

V: Ist die FDP eine Elitepartei? Mir ist zum Beispiel auch aufgefallen, dass das Wahlprogramm online anspruchsvoller formuliert ist als bei anderen Parteien.

Größtenteils ja, aber nicht nur.

 

V: (Liest Ausschnitt aus dem Wahlprogramm der FDP vor): “…Deshalb sind die gesetzlichen Mindestanforderungen an die Errichtung solcher Anlagen so zu ändern, dass bei zunehmender Größe von Windkraftanlagen und einer damit verbundenen stärkeren Belastung auch der Abstand zur nächsten Wohnbebauung, zu Brutstätten etc. entsprechend steigt. Das sehen wir mit der sogenannte 10H-Regel gewährleistet: …” In NRW hat dieselbe Forderung der FDP gerade dazu geführt, dass dort in Zukunft kaum noch neue Windkraftanlagen gebaut werden können. Könnte man der FDP, auch wenn sie offiziell für die Energiewende eintritt, hier nicht vorwerfen, dass diese ihr eigentlich egal ist und sie gar kein Interesse am Fortschritt von erneuerbaren Energien hat?

Auch wenn ich die Energiewende befürworte und erneuerbare Energien als die Zukunftsenergien sehe: So, wie die Energiewende aktuell durchgeführt wird, ist das nicht gut. Sie ist überstürzt und ohne Konzept. Die Forderungen, die die FDP hier stellt, kann ich deshalb so unterstützen.

 

V: (Liest Abschnitt aus Wahlprogramm der FDP vor): “Wir Freie Demokraten wollen die sogenannte Mietpreisbremse abschaffen, […] weil sie Investitionen in mehr Wohnraum verhindert. Gerade Privatpersonen überlegen sich im Moment genau, ob sich Investitionen noch lohnen. …” Wenn man sich auf Wikipedia die Regelungen zur Mietpreisbremse anguckt, scheint sie bei all den Ausnahmen eigentlich nur relevant zu sein, wenn mit geringen Kosten saniert wird oder eine bisher privat genutzte Wohnung vermietet wird. Nur dann darf die Miete nicht mehr als 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Das klingt für mich nicht nach einem ernsthaften Problem, das die meisten Privatpersonen von der Vermietung einer Wohnung abschreckt.

Ich weiß nicht genau, was ich davon konkret halten soll. Die fehlenden Wohnmöglichkeiten sind generell ein sehr kompliziertes Problem. Es gibt zwei Lösungsansätze für das Problem: Die Regulierung des Marktes durch die Politik, beispielsweise durch Sozialwohnungsbau und die Mietpreisbremse – oder das von der FDP vertretene Konzept des liberalen Marktes. Ich weiß nicht wirklich, was erfolgsversprechender ist.

 

Wir haben uns beim “Shooting” ein bisschen von Christian Lindner inspirieren lassen. Nur für Hemd und Jackett war es einfach zu warm. Foto: Carla Ober

Steckbrief

Name: Lukas Zschiesche

Alter: 26

Geschlecht: männlich

Studienfach: Politikwissenschaft und Öffentliches Recht im Zweifachbachelor

Berufswunsch: Anwalt

Herkunft: Erlangen

Beruf der Mutter: Gymnasiallehrerin für Deutsch und Englisch

Beruf des Vaters: Zahnarzt

Würdest du dich als Kind des “Bildungsbürgertums” bezeichnen? Ja

Geschwister: Einen Bruder

Familienstand: ledig

Hetero oder LGBTQI: Hetero

 

 

 

 

 

Das Interview führte Carla Ober.

 

 

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Hier geht’s zur AfD.

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Hier geht’s zu DIE PARTEI.

 

Hinweis: Die Auswahl der Parteien sagt nichts über die politische Meinung der Redaktion aus. Wir hatten das Ziel, alle größeren oder im Moment wichtigen Parteien zu behandeln und haben zusätzlich Parteien aufgenommen, von denen wir zufällig Wähler unter unseren Freunden hatten oder die auf uns zu kamen. Leider können wir aus Kapazitäts- und Zeitgründen keine weiteren Interviews mehr führen.

Die Reihenfolge der Interviews stellt ebenfalls keine politische Aussage dar und ist allein davon abhängig, in welcher Reihenfolge unsere Autoren und die Gesprächspartner Zeit hatten.