Vor der Bundestagswahl am 24. September veröffentlichen wir regelmäßig Beiträge zum Wahlkampf. Hauptsächlich gibt es eine Interviewreihe, in der wir Studierende an der Uni Erlangen-Nürnberg fragen, warum sie die von ihnen favorisierte Partei wählen. Die Aussagen der Interviewpartner stellen deren politische Meinung und natürlich nicht die Meinung der Redaktion dar. Jennifer studiert in Hamburg* und ist dort die Landesvorsitzende und Listenplatz 1 für die V-Partei³. Warum sie diese wählt, erklärt sie uns im Interview.
V: Warum wählst du die V-Partei³? Was hat dich überzeugt?
Weil sie die erste Partei ist, die konsequent Tierrechte umsetzen möchte, aber gleichzeitig auch keine Kompromisse zum Thema Menschenrechte macht. Das gab es bisher nicht in der Parteienlandschaft.
V: An wen richtet sich die V-Partei³?
Natürlich teilweise an Vegetarier und Veganer, die bisher keine Partei gefunden haben, die ihre Ansichten zum Thema Tierrechte vertritt. Aber auch an Menschen, die grundsätzlich eher links wählen, aber sich auch für das bedingungslose Grundeinkommen interessieren. Menschen, für die Umwelt- und Sozialpolitik wichtig ist, eine Art Mischung aus Linken und Grünen.
V: Bist du in der V-Partei³ Mitglied?
Ja, ich bin im Mai 2016, relativ schnell nach der Gründung, beigetreten. Ich bin Landesvorsitzende und Spitzenkandidatin (Listenplatz 1) in Hamburg.
V: Wen findest du in der V-Partei³ am sympathischsten? Wen am wenigsten? Und warum?
Ich kann mich mit der Bundespressesprecherin Saskia Wille sehr gut identifizieren. Wir sind total auf einer Wellenlänge und vertreten die gleichen Ideale, meine politische Meinung geht mit ihrer meistens konform. Sie setzt sich auch sehr für Familienpolitik und Chancengleichheit für Jugendliche und Studenten ein.
Die Leute, die mir nicht sympathisch sind, sind eigentlich alle schon draußen. Einige haben sich von der Partei getrennt, weil es dann doch nicht so passte. Viele haben sich wegen “Veganismus” angeschlossen, aber die Partei steht ja auch noch für andere Ideale.
V: Was stört dich an deiner Partei?
Dass die Leute denken, dass wir eine Ein-Themen-Partei sind, obwohl wir ein umfassendes Parteiprogramm haben. Wir sind zum Beispiel auch gegen eine Flüchtlingsobergrenze, dafür, Fluchtursachen zu bekämpfen, gegen Waffenexporte und für ein bedingungsloses Grundeinkommen.
V: Welche andere Partei findest du gut, welche nicht gut und wieso?
Am nächsten fühle ich mich den Linken, sozialpolitisch bin ich da fast mit jedem Thema konform. Sie stehen dazu, was sie versprechen und haben Ideale. Sie schlagen auch Koalitionen aus, wenn das zu hohe Kosten hätte und sie ihre Identität aufgeben müssten. Meines Erachtens die einzige wirkliche Partei im Bundestag, die noch eine echte Oppositionspartei ist. Die Grünen sehe ich gespalten, sie halten ihre Versprechen nicht mehr und verkaufen ihre Ideale, um um jeden Preis zu koalieren. Überhaupt nicht mag ich die AfD, NPD und die CSU. Die CDU wirbt nicht wirklich mit Inhalten, sie werben nur mit dem Gesicht Merkel und dass alles so bleiben soll, wie’s ist. Damit ignorieren sie massive Probleme in der Gesellschaft.
V: Wozu eine neue Kleinstpartei wählen, die keine Chance auf den Bundestag hat?
Jede Partei hat ja irgendwann mal klein angefangen. Grüne und Linke gibt es auch noch nicht so lange, aber sie haben gute Erfolge erzielt. Ich bin der Meinung, dass man aufhören sollte, taktisch zu wählen, sondern stattdessen das, was einen wirklich vertritt. Wäre das der Fall, wären meiner Meinung nach CDU und SPD ziemlich schnell weg vom Fenster, da diese nur aus taktischen Gründen gewählt werden. Taktische Wahl geht immer zum Verlust der eigenen Überzeugungen, man geht immer das kleinste Übel ein. Es ändert sich nichts, wenn man immer nur die etablierten Parteien wählt und das Signal “weiter so” gibt, obwohl man unzufrieden ist.
V: Bist du Vegetarierin oder Veganerin?
Ich bin seit 3 Jahren Veganerin. Davor hatte ich immer wieder längere vegetarische Phasen aus ökologischen, weniger tierrechtlichen Gründen. Der Umstieg vor 3 Jahren kam, als ich mit schlimmen Videos zur Tierhaltung und wie wir Menschen allgemein mit Tieren umgehen konfrontiert wurde.
V: Vieles in eurem Wahlprogramm zielt eindeutig auf veganes Leben ab. Ist das “vegetarisch” in eurem Parteinamen schon obsolet und überstimmt?
An sich ist Veganismus das Ziel, allerdings teilen auch viele Vegetarier unsere Ansichten bezüglich der Tierrechte. Ursprünglich bedeutet Vegetarismus Veganismus, das Wort Veganismus wurde erst durch das Schwammigwerden des Vegetarismusbegriff eingeführt. Wir sind die einzige Partei, die auf lange Sicht das Töten von Tieren verbieten möchte. Der Begriff “verbieten” ist schwierig, wir gehen im Moment eher den Aufklärungsweg und hoffen, dass Leute von selbst aufhören, Fleisch zu essen. Durch genug Alternativen und Aufklärung wird das der Fall sein. Im Moment stecken viele Menschen in ihrer eigenen Filterblase.
V: Wie stellt ihr euch diese Aufklärung vor? Wollt ihr die Menschen zwingen, solche schrecklichen Videos anzusehen?
Zwingen nicht. Aber wir wollen Alternativen bieten, zum Beispiel eine Pflicht für Kantinen einführen, immer ein veganes Gericht anzubieten. Wir wollen ein Schulfach “Ethik” einführen, das sich mit Mensch und Tier beschäftigt und aufklärt.
V: Da merkt man den Unterschied zwischen Hamburg und Bayern! Ich habe erst neulich von einer Hamburger Freundin erfahren, dass sie nur zwei Jahre Religionsunterricht hatte. In Bayern existiert das Fach “Ethik” für die Schüler*innen die expilizit nicht in den Religionsunterricht möchten. Sowohl im zwölfjährigen Ethik- als auch Religionsunterricht werden viele verschiedene moralische Themen behandelt.
Wir sind auch für ein bundesweit einheitliches Bildungssystem. Außerdem darf Bildung unserer Meinung nach nichts kosten, deswegen setzen wir uns beispielsweise für ein BAföG unabhängig vom Einkommen der Eltern ein.
V: Ihr wollt allerhand verbieten, sogar den gewerblichen Vertrieb von Tieren und wie du gerade als Beispiel genannt hast eine Pflicht für ein veganes Gericht in Kantinen einführen. Seid ihr eine Verbotspartei? Die Grünen werden dieses Image seit der “Veggie-Day”-Forderung nicht so schnell los werden.
Ich denke, dass es ja niemanden stört und keinem schadet, wenn es optional ein veganes Gericht gibt. Irgendwann wird Fleisch ohnehin verboten werden müssen. Auch irgendwann durch die Union, weil die Erde sonst kaputt geht. Wir versuchen, einen Mittelweg zu gehen und lieber die Menschen aufzuklären, damit sie diesen Schritt freiwillig gehen. Ich würde sogar sagen, dass wir einen viel sanfteren Umstieg anbieten als die etablierten Parteien, die sich dieses Themas bewusst sind, aber um ihre Stimmen fürchten.
V: Ihr fordert zum Beispiel das Verbot der Lederproduktion. Da Fleischproduktion aber vermutlich noch viele Jahre nicht aufhören wird: Ist es nicht sinnvoll, alle Teile eines Tiers zu verwerten, das eh schon getötet wurde? Sollen die Häute auf den Müll?
Das ist ganz interessant. Die meisten Menschen denken, dass Lederprodukte Nebenprodukte der Fleischindustrie sind. Aber die Lederindustrie ist eine ganz eigene Industrie, die Häute aus der Fleischproduktion werden ohnehin schon weggeworfen. Es würde also durch dieses Verbot nicht mehr weggeworfen, als das jetzt schon der Fall ist. Übrigens stammen viele Lederprodukte von Hunde- und Katzenhaut aus China. Das Problem ist, dass nicht gelabelt wird, von welchem Tier das Leder stammt. Häufig sind es Straßentiere oder sogar aus Hintergärten entführte Tiere, meist zu Gürteln oder Handschuhen verarbeitet.
V: In euren auf dem letzten Parteitag beschlossenen Forderungen steht zum Beispiel “Familiennachzug nach erfolgreicher Integration”. Darüber bin ich etwas gestolpert: Manche Experten sagen, Familiennachzug unterstütze erst die Integration hier lebender Personen – warum also Familiennachzug erst nach Integration erlauben und wie wollt ihr eine bereits stattgefundene Integration feststellen?
Den Begriff “Integration” haben wir bei uns schon verworfen, wir bevorzugen inzwischen das Wort “Inklusion”. Der Familiennachzug soll ab Beginn eines Sprachkurses und der Eingliederung in den Arbeitsmarkt möglich sein. Wir fordern nämlich auch, dass diese Arbeitsmarkteingliederung sofort erfolgt. Im Moment dürfen Asylsuchende ja nicht arbeiten, bis ihr Asylantrag bearbeitet wurde – die Zahlungen, die die Menschen stattdessen vom Staat erhalten reichen auch nicht zu einem menschenwürdigen Leben aus.
V: “Die V-Partei³ spricht sich für die Auflösung der NATO und stattdessen für ein kollektives, europäisches Sicherheitssystem zur Abwehr von äußeren Gefahren aus.” Ist das nicht einfach eine NATO 2.0 ohne die USA? Warum fordert ihr nicht stattdessen, das bestehende System zu verändern, eurer Meinung nach zu verbessern und zum Beispiel die USA rauszuwerfen?
Das Problem mit der NATO ist, dass sie immer offensiv war, mit einer “wir gegen die”- und “gut gegen böse”-Haltung, mit harten Fronten vor allem gegen Russland. Wir wollen ein Bündnis, das in die Defensive geht und gewaltlos und defensiv auftritt und sich nur im Notfall wehrt. Das ist im Moment leider nicht der Fall, da geht es nicht nur um die USA.
V: Was ist dein Lieblingswahlplakat?
Das von der Landesvorsitzenden von Bayern: Es sagt “verwenden statt verschwenden”, also Steuern und Lebensmittel sinnvoll einsetzen. Das umfasst im Hintergrund tatsächlich deutlich mehr, als man zuerst denkt.
V: Wie findest du den Wahlwerbespot?
Mich persönlich spricht der nicht an muss ich sagen. Ich finde das Skript sehr gut, aber ich bin ein Mensch, der eher auf knallharte Fakten fokussiert ist. Aber für die Allgemeinheit halte ich ihn für sehr gut, weil er nämlich gerade nicht brutale Themen fokussiert, sondern das harte Thema Klimawandel schonend thematisiert, ohne abzuschrecken.
V: Mein Eindruck war, dass er nicht wirklich “schonend” ist, sondern vor Allem mit Emotionen spielt, anstatt über die Tatsache des Klimawandels hinaus mehr Fakten und Details zu nennen.
Naja, der Klimawandel ist ein emotionales Thema, das man gar nicht auf Fakten runterbrechen kann, ohne dass dabei etwas verloren geht. Ich finde den Spot schon schonend. Ich bin lange bei PETA gewesen und habe ganz andere Bilder gesehen, dagegen ist der Spot sehr harmonisch.
V: Naja, der normale deutsche Wähler ist aber auch nicht in der PETA-Filterblase und solche Bilder gewöhnt.
Ich denke, es gibt ja am Ende diese positive Wendung und es werden keine schrecklichen Bilder gezeigt. Der Spot war am Anfang sogar viel dramatischer geplant. Wir wollten den Klimawandel unbedingt ansprechen. Dieses Thema ist so wichtig, dass wir alle Tag und Nacht nicht schlafen können sollten. Ich denke, dass der Werbespot es gut auf den Punkt bringt, den Leuten klar zu machen, wie wichtig dieses Thema ist. Wir wollten die Zuschauer auch nicht zu sehr erschrecken, aber es geht um die Existenz des Planeten und den Fortbestand der Menschheit. Wir wünschten auch, dass das nicht so wäre.
Steckbrief
Name: Jennifer Nielsen
Alter: 23
Geschlecht: weiblich
Studienfach: Dual Finanzwissenschaften Schwerpunkt Steuerrecht, im Moment warten auf Zusagen für neues Grundstudium im Bereich Sozialwissenschaften / Lehramt
Berufswunsch: Politikerin. Plan B: Lehrerin
Herkunft: Hamburg
Beruf der Mutter: Versicherungskauffrau, im Moment Frührentnerin wegen einer Schwerbehinderung nach einer Lungenembolie. Ich pflege sie im Moment.
Beruf des Vaters: Speditionskaufmann
Würdest du dich als Arbeiterkind oder Mittelklassenkind bezeichnen? Ich würde mich wegen des jetzigen Einkommens in der höheren Mittelklasse einordnen. Aber früher hatten meine beiden Eltern nie viel Geld und haben eine Sensibilität für die Probleme der Unterschicht an ihre Kinder weitergegeben, deswegen bin ich gedanklich eher in der Arbeiterklasse. Mein Vater hat sich enorm hochgearbeitet.
Geschwister: Eine ältere Schwester, 25
Familienstand: In einer Beziehung
Hetero oder LGBTQI? Hetero, demisexuell
Das Interview führte Carla Ober telefonisch.
Interviews, die außerdem zur Bundestagswahl erschienen sind:
Hier geht’s zu Bündnis 90/Die Grünen.
Hier geht’s zur Tierschutzpartei.
Hinweis: Die Auswahl der Parteien sagt nichts über die politische Meinung der Redaktion aus. Wir hatten das Ziel, alle größeren oder im Moment wichtigen Parteien zu behandeln und haben zusätzlich Parteien aufgenommen, von denen wir zufällig Wähler unter unseren Freunden hatten oder die auf uns zu kamen. Leider können wir aus Kapazitäts- und Zeitgründen keine weiteren Interviews mehr führen.
Die Reihenfolge der Interviews stellt ebenfalls keine politische Aussage dar und ist allein davon abhängig, in welcher Reihenfolge unsere Autoren und die Gesprächspartner Zeit hatten.
*Die V-Partei³ ist auf uns zugekommen und hat uns verschiedene Interviewpartner angeboten. Unter diesen haben wir nach Jennifer gefragt, weil sie noch Studentin ist. Aus der Region Erlangen-Nürnberg war leider niemand dabei.
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